Gemeinsame Stellungnahme BUND-Regionalverband Südlicher Oberrhein und BUND Bezirksgruppe Schönberg
Hochwasserrückhaltung im Hexental bei Au: eine technokratische, weder menschen- noch landschaftsgerechte Planung
Stellungnahme vom 01.05.2012, Dr. Frank Baum und Dieter Kügele
Obwohl im Raum Au–Merzhausen bereits erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes unternommen wurden und werden, scheinen nach dem derzeitigen Diskussionsstand weitere Maßnahmen unumgänglich zu sein.
Aus landschaftsökologischer (wie auch aus finanzieller!) Sicht wäre allerdings nach Ausbau des Dorfbaches ein Verzicht auf weitere Rückhaltemaßnahmen die beste Lösung. Deshalb möchten wir ausdrücklich darum bitten, grundsätzlich nach Lösungen zu suchen, die mit möglichst geringen Eingriffen verbunden sind – falls auf ein weiteres Becken nicht gänzlich verzichtet werden kann. Und auch diese Option sollte aus unserer Sicht nochmals ohne Vorfestlegung geprüft werden.
Die aktuell vorgestellten und diskutierten Planungen für ein weiteres Rückhaltebecken konzentrieren sich fast ausschließlich auf den Standort „Enge“ am Ortsrand von Au, beim Schützenhaus, direkt an der Landstraße nach Wittnau. Sie berücksichtigen aus Sicht vieler Bürger ausschließlich technische Aspekte. Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und der wertvollen Erholungslandschaft wurden bislang weder untersucht noch bewertet.
Wir halten daher das bisherige Vorgehen zur Findung einer allseits akzeptablen, nachhaltigen Lösung für unbefriedigend. Es ist weder bürgernah noch transparent, kurzum: es ist nicht zeitgemäß.
Zu wünschen wäre eine Vorgehensweise, wie sie von der neuen Freiburger Regierungspräsidentin auf der Website des Regierungspräsidiums in ihrem kurzen Willkommensgruß beschrieben wird:
„ … Als Partner von Land und Region ist es uns besonders wichtig, die Bürgerinnen und Bürger aktiv in unsere Entscheidungsfindung einzubinden. Unser Ziel ist es, Sie frühzeitig über wichtige Projekte zu informieren und diese gemeinsam mit Ihnen konstruktiv voran-zutreiben. Gemeinsam können wir so Lösungen finden, die von den Betroffenen mitgetra-gen werden und die Belange von Mensch und Natur angemessen berücksichtigen ... “
Auch die Informationsveranstaltung am 16. April im Rathaus Merzhausen hat leider nicht nach dieser Maxime gehandelt. Es wurde vielmehr eine apodiktische Festlegung auf den Standort „Enge“ vorgenommen, andere Lösungen und kritische Anregungen von Bürgern wurden – teils mit fragwürdigen Erklärungen - schlecht geredet und abgelehnt.
Wir wenden uns daher mit dieser Stellungnahme an die Öffentlichkeit und appellieren an die verantwortlichen Stellen, nach einer verträglicheren Lösung zu suchen, die die Interessen der Menschen und die Erhaltung von Landschaft und Landschaftsbild stärker berücksichtigt. Im Sinne der Regierungspräsidentin wenden wir uns an die Öffentlichkeit und die zuständigen Behörden, solange noch Kritik und Anregungen möglich sind und die Weichen nicht endgültig gestellt sind.
In unserer Stellungnahme wollen wir vor allem auf die folgenden drei Bereiche eingehen:
- Die Bilderbuchlandschaft des Hexentales
- Unklarheiten und Mängel bei der Informationsveranstaltung
- Bewertung und Vorschläge
Die Bilderbuchlandschaft des Hexentales
Wenn man den Siedlungsbereich des Großraumes Freiburg hinter den letzten Häusern von Au verlässt, kommt man ohne Übergang in eine Landschaft, die jedes Mal wieder in Erstaunen zu versetzen vermag: die gepflegte und landwirtschaftlich genutzte, abwechslungsreiche und reizvolle Landschaft des Hexentales zwischen Schwarzwald und Schönberg, mit Wiesen und Weiden, Feldgehölzen, besonders wertvollen naturnahen Bachläufen und dem Übergang zu den bewaldeten Schwarzwaldhöhen.
Diese Landschaft ist erstaunlich wenig „verhunzt“ und zersiedelt. Im Gegensatz zum direkten Umland der meisten deutschen Großstädte finden sich hier weder Wochenendhäuschen noch Neubausiedlungen oder Nobelvillen, keine Schnellstraße, kein Gewerbegebiet und kein Ein-kaufsmarkt, einfach nur eine ungewöhnlich schöne Landschaft – eine „Bilderbuchlandschaft“.
Damit verbunden ist ein gutes Stück Lebensqualität für die Bewohner des Hexentales und ein Stück Attraktivität für Gäste und Touristen. Diesen Wert gilt es ohne Wenn und Aber zu bewahren und zu verteidigen. Nicht zufällig ist die Landschaft südlich von Au bis Wittnau und Sölden als Landschaftsschutzgebiet (LSG) ausgewiesen. Die Grenze verläuft im Süden am Ortsrand von Au und weiter entlang dem Selzenbach. Das beim Auer Schützenhaus geplante Becken „Enge“ läge also vollständig innerhalb des LSG.
Hier sei kurz aus dem Bundesnaturschutzgesetz zitiert (§ 26, Abs. 1):
(1) Landschaftsschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist
1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts, … einschließlich des Schutzes von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,
2. wegen der Vielfalt, Eigenart und Schönheit oder der besonderen kulturhistorischen Bedeutung der Landschaft oder
3. wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Erholung.
Und weiter in § 26, Abs. 2:
“In einem Landschaftsschutzgebiet sind … alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem Schutzzweck zuwiderlaufen.“
Bei einem Bau des Rückhaltebeckens „Enge“ käme es durch Austiefung des Beckens und Dammaufschüttungen (voraussichtliche maximale Höhe 13 m) zu großen Erdbewegungen, zur nahezu vollständigen Beseitigung des bachbegleitenden Gehölzstreifens und damit zu schwerwiegenden und bleibenden Eingriffen in das Landschaftsbild und in geschützte Biotope.
Nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz gehören „natürliche und naturnahe Bereiche fließender und stehender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden natürlichen oder naturnahen Vegetation“ zu den besonders geschützten Biotopen. „Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung der besonders geschützten Biotope führen können, sind verboten.“ Da verwundert es, dass in den bisher erstellten Gutachten wie auch bei der Vorstellung des Projektes am 16. April die Schutzgüter Landschaft/Landschaftsbild/Mensch/Erholung keinerlei Berücksichtigung gefunden haben. Ebenso wenig wurde darauf hingewiesen, dass die fragliche Fläche im LSG liegt. Diese Themen wurden erst in Fragen von Besuchern angesprochen. Auf diese Versäumnisse gehen wir nochmals im nächsten Punkt ein.
Falls in dieser Landschaft der Schutzkategorie “LSG“ keine wirkliche Bedeutung beigemessen werden sollte, muss gefragt werden, was ein solcher Schutz überhaupt wert ist.
Unklarheiten und Mängel bei der Informationsveranstaltung
Hier sollen – unvollständig - einige Punkte angeführt werden, die während der Informations-veranstaltung am 16. April und in deren Vorfeld auffielen und die teilweise zu Verwirrung und zu Unmut geführt haben.
(1) Die Benennung der verschiedenen Standorte für ein Rückhaltebecken, die sich im Verlauf des Planungsprozesses geändert hat, wurde von den einzelnen Gutachtern unterschiedlich und für den Zuhörer verwirrend gehandhabt. Vereinheitlichung und Absprachen im Vorfeld der Info-Veranstaltung wären nützlich gewesen.
(2) Mehrfach wurde während der Info-Veranstaltung betont, man sei mit der Diskussion zu den Planungen noch ganz am Anfang und die Bürger könnten sich ja noch einbringen. Andererseits wurde auch mehrfach dargelegt, dass es zum Becken „Enge“ keine vernünftige Alternative gebe, es sei alles - quasi abschließend - geprüft. Der nächste Verfahrensschritt wird das Planfeststellungsverfahren sein, in das jedoch stets nur mit einer Variante („Antragsvariante“) gegangen wird. Erfahrungsgemäß ist es dann schwierig, noch neue Alternativen oder Denkansätze einzubringen oder gar durchzusetzen. Die Würfel sind dann in der Regel gefallen. Insofern kann von einer aktiven Bürgerbeteiligung, wie sie ganz grundsätzlich wünschens- und empfehlenswert ist, nicht gesprochen werden. Bislang wurde die Bürgerschaft bei verschiedenen Veranstaltungen zwar informiert, entschieden wurde und wird aber auf der Grundlage von schwer zugänglichen Gutachten und von Vorgaben der Behörden, ohne dass den Bürgern die Möglichkeit gegeben wird, diese Entscheidungen im Vorfeld wirklich zu beeinflussen oder mitzugestalten.
(3) Wie oben bereits erwähnt, halten wir die Ausklammerung der naturschutzfachlichen Aspekte wie des Themas „Landschaft“ beim gesamten bisherigen Planungsprozess für einen großen Fehler. Die untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt hat sich offiziell bislang nicht geäußert. Eine naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für den Eingriff in das LSG wird offensichtlich vorausgesetzt. Es ist für alle, denen unsere Landschaft am Herzen liegt, erschreckend zu sehen, welch geringen Stellenwert diese bei der vorliegenden Planung zu haben scheint.
(4) Befremdlich erscheint auch, wie der Zugang zu den Planungsunterlagen für interessierte Bürger zunächst unnötig erschwert wurde. Die Einsichtnahme in die Gutachten wurde anfangs generell verwehrt, dann wurde das Kopieren bis zum Zeitpunkt der Bürgerinformation nicht zugelassen bzw. durch hohe finanzielle Forderungen („500.- €“) unterdrückt, wichtige Passagen der Gutachten mussten daher von Hand abgeschrieben werden. Dieses Vorgehen steht nicht im Einklang mit dem Umweltinformationsgesetz des Landes Baden-Württemberg (§ 1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, den rechtlichen Rahmen für den freien Zugang zu Umweltinformationen bei informationspflichtigen Stellen sowie für die Verbreitung dieser Informationen zu schaffen. – Dieses Gesetz gilt für informationspflichtige Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der Landkreise und der unter ihrer Aufsicht stehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts.“)
(5) Manche Aussagen waren schwer bzw. gar nicht nachvollziehbar und lösten Skepsis aus. So war nicht zu verstehen, warum das Becken Stöckenhöfe“, das technisch viel weniger aufwendig anzulegen wäre als das Becken „Enge“, teurer sein soll als dieses.
Bewertung und Vorschläge
(1) Der Standort „Enge“
Diesen Standort halten wir – trotz seiner hydrologischen Eignung - aus einer Reihe von Gründen für denkbar ungeeignet:
- Er ist mit den schwersten Eingriffen in die Landschaft verbunden (enorme Erdbewegungen und Baumaßnahmen, auch durch die geplante Zuleitung von Wasser aus dem Selzenbach). - Das Landschaftsbild wird am stärksten und irreversibel negativ verändert (hohe und lange Dammbauwerke, Beseitigung der bachbegleitenden Gehölze).
- Diese Eingriffe werden künftig zu Recht von Anliegern und von Erholungssuchenden bedauert und angeprangert werden.
- Sie wären verbunden mit massiven und nicht ausgleichbaren Zerstörungen von vielfältigen und unterschiedlichen Biotopstrukturen (naturnaher, schluchtartiger Bachlauf mit Begleitvegetation, Hecken, Gebüsche und Gehölze mit Saumstrukturen).
- Ein Rückhaltebecken an dieser Stelle wäre aufgrund der aufwendigen und schwierigen Baumaßnahmen mit hohen Kosten verbunden.
(2) Der Standort „Stöckenhöfe“
Dieser Standort weist aus unserer Sicht im Vergleich zum Standort „Enge“ eine Reihe von Vorteilen auf:
- Die Eingriffe in die Landschaft wären vergleichsweise gering, weil der Rückhalteraum eine relativ flache und breite Mulde darstellt, die zur Hochwasserrückhaltung nicht wesentlich verändert und modelliert werden müsste.
- Die baulichen Maßnahmen würden sich im Wesentlichen auf eine Erhöhung des Straßendammes beschränken, der das Tal jetzt schon quert (Klinikzufahrt).
- Das Landschaftsbild würde nicht gravierend beeinträchtigt, die landschaftlichen Strukturen würden kaum verändert.
- Die vorhandenen Biotopbereiche (größere, kaum genutzte Sumpfwiesen, Wiesen- und Weidegelände, einzelne Gebüsche und Gehölze) könnten im Wesentlichen erhalten werden, sie sind hochwasserresistent.
- Wir vermuten, dass die Kosten für ein Becken an diesem Standort deutlich niedriger lägen als am Standort „Enge“.
Der entscheidende Nachteil eines Beckens am Standort Stöckenhöfe: Das Retentionsvolumen ist geringer als beim „Enge-Becken“.
Ein Stöckenhöfe-Becken könnte das von Wittnau/Biezighofen her kommende Wasser aufnehmen, ebenso mittels geeigneter Überleitung das Wasser aus dem Bereich Sägendobel, nicht aber Wasser aus dem Einzugsgebiet des Selzenbaches, für das aber laut Gutachteraussagen das Rückhaltebecken im Selzental genügt (zumindest, was ein 50-jähriges Hochwasser angeht).
Nach den Darlegungen der Gutachter lässt sich durch den zusätzlichen Bau eines Beckens „Stöckenhöfe“ allein die kritische maximale Abflussmenge von 9 cbm/sec an der Gemarkungsgrenze von Merzhausen nach Freiburg nicht einhalten.
(3) Wir schlagen daher eine dezentrale Lösung vor, nämlich die Kombination eines kleineren zusätzlichen Beckens mit einem Becken „Stöckenhöfe“. Über eine solche Lösung wird anscheinend auch von anderer Seite nachgedacht, was wir sehr begrüßen.
Als Standort bietet sich der unterste Bereich des Heimbachtälchens am westlichen Orts-rand von Au, am Fuß das Schönberghanges an. Dieser Standort ist kaum einsehbar, weist keine wertvollen Biotopstrukturen auf und steht nicht unter Landschaftsschutz. Nach Aussagen von älteren Auer Bürgern wurden hier bei längerem Starkregen mehrfach große abfließende Wassermengen festgestellt. Diese können von einem Becken Selzenbach bzw. Enge gar nicht erfasst werden – also ein weiterer Vorteil eines Beckens an dieser Stelle. Ein Heimbach-Becken könnte effektiv dazu beitragen, die Abflussmenge im Dorfbach auf einen tolerierbaren Wert zu reduzieren.
Über die Kosten eines derartigen Beckens können von unserer Seite naturgemäß keine Aussagen erwartet werden. Wir sind aber der Meinung, dass eine solche Lösung deutlich umwelt- und landschaftsverträglicher wäre als ein Enge-Becken, so dass Mehrkosten bei Abwägung aller Aspekte und Interessen im Sinne des Gemeinwohles gerechtfertigt wären.
Wir bitten die zuständigen Stellen, diesen Vorschlag ernsthaft zu prüfen. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn eine Lösung gefunden werden könnte, die möglichst allen Interessen - dem Hochwasserschutz wie auch den Funktionen der Landschaft - gerecht wird. Und das muss unseres Erachtens bedeuten, dass bei der Bewertung von Varianten nicht nur technische und finanzielle Aspekte ausschlaggebend sein dürfen, sondern dass die Ökologie im weitesten Sinne auch „zählt“, z.B. bei den wichtigen Fragen der Förderungswürdigkeit und der Wirtschaftlichkeit.
Verteiler:
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